Antisemitismus
Antisemitismus (auch Judenfeindlichkeit) drückt eine ablehnende Haltung oder Einstellung gegenüber Menschen aus, die sich als Jüdinnen und Juden bezeichnen oder als solche wahrgenommen werden. Siehe mehr dazu im Glossar.
Es gibt heute verschiedene Definitionen von Antisemitismus. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit besteht Konsens darüber, dass es sich um eine Feindseligkeit gegenüber jüdischen Personen handelt. Es gibt deshalb auch den Vorschlag, besser von antijüdischem Rassismus zu sprechen.
Die Definition der FRB präzisiert und erweitert die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance IHRA, bei der die Schweiz seit 2004 Mitglied ist. Die IHRA fördert weltweit die Aufklärung, Erforschung und Erinnerung des Holocaust.
Die Schweiz ordnet Antisemitismus dem Gesamtphänomen des «Rassismus» zu. Besonderheiten sowie seine historische Konstante müssen bei der Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus aber Beachtung finden.
Siehe auch ECRI revised General Policy Recommendation No. 9.
Wo steht die Schweiz
Die in der BFS Erhebung «Zusammenleben in der Schweiz» ZidS gemessenen feindseligen Einstellungen gegenüber jüdischen Personen stiegen 2024 zum ersten Mal an. Die Anzahl gemeldeter antisemitischer Vorfälle, Beratungsfälle und Rechtsfälle hingegen nimmt laufend zu. Insgesamt tritt Antisemitismus immer manifester auf. Besonders markant ist der Anstieg im online Bereich.
Das Weltgeschehen und Krisen, wie etwa die Covid-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder Gewalteskalationen im Mittleren Osten triggern häufig unmittelbar und in hohem Masse antisemitische und andere Formen von rassistischen Vorfällen. Nach dem 7. Oktober 2023 etwa hat der Schweizerische Israelitische Gemeindesbund (SIG) eine Verzehnfachung antisemitischer Vorfälle registriert. Auch die Coordination Intercommunautaire contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD) geht von einer massiven Zunahme antisemitischer Vorfälle aus.
Dies zeugt davon, dass Antisemitismus nicht als Problem der politischen Extremen verstanden werden kann, sondern in der Schweizer Gesellschaft breit verankert ist. Der Index des BFS zu Feindseligkeit gegenüber jüdischen Personen sank zwischen 2016 und 2022 leicht.
2024 stieg der Index nun ein erstes Mal an und liegt auf einer Skala von 1 (Ablehnung dieser Einstellung) bis 4 (Zustimmung zu dieser Einstellung) bei 1.82. Im Vergleich mit den weiteren im Rahmen des BFS zu Feindseligkeit errechneten Indizes handelt es sich um jenen, mit dem stärksten Anstieg. Ob es sich hierbei um einen anhaltenden Bruch mit dem bisherigen Trend handelt können erst weitere Erhebungen zeigen
Für weitere Daten siehe Rassismus in Zahlen.
Betroffene von Antisemitismus wenden sich eher an Vertrauenspersonen oder Beratungsangebote von auf Antisemitismus spezialisierten Stellen. Besonders relevant für die Erfassung des Ausmasses von Antisemitismus sind deshalb die Berichte von SIG und GRA sowie der CICAD.
Die Studie «Erfahrungen und Wahrnehmungen von Antisemitismus unter Jüdinnen und Juden in der Schweiz» von 2020 kommt zum Schluss, dass Jüdinnen und Juden in der Schweiz insgesamt weniger besorgt seien als in anderen europäischen Ländern. Tatsächlich scheinen physische und verbale Angriffe auf jüdische Menschen und Sachbeschädigungen weniger oft vorzukommen. Gleichzeitig erachten jedoch mehr als die Hälfte der Befragten Antisemitismus als aktuelles gesellschaftliches Problem, und orthodoxe Jüdinnen und Juden sowie solche, die in der Öffentlichkeit eine Kippa tragen oder regelmässig die Synagoge besuchen, fühlen sich teilweise unsicher.
Herausforderungen und Massnahmen
Der Fokus der staatlichen Massnahmen gegen Antisemitismus liegt auf dem Schutz der Menschen und nicht auf dem Schutz der Religion.
Im Juni 2021 verabschiedete der Bundesrat einen Postulatbericht, der sich mit den möglichen Anwendungsbereichen der IHRA- Arbeitsdefinition von Antisemitismus auseinandersetzt. Er kommt zum Schluss, dass diese Definition im Rahmen der vielfältigen Massnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus in der Schweiz als zusätzlicher Leitfaden dienen kann, um antisemitische Vorfälle zu identifizieren. Als Grundlage des Berichts dienten:
- eine juristische Analyse der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus sowie
- eine Evaluation der Massnahmen gegen Antisemitismus von Bund, Kantonen und Gemeinden.
In seinen Empfehlungen beauftragte der Bundesrat die FRB damit, eine «koordinierte Strategie zur aktiven Information und Sensibilisierung über Rassismus und Antisemitismus» mit Partnern auf Bundes- und Kantonsebene zu entwickeln. Die FRB hat seither eine Übersicht der bei den Kantonen und Städten für Antisemitismus zuständigen Stellen erstellt und mit diesen die «Plattform Antisemitismus» lanciert. Diese verfolgt als Ziele die Wissensvermittlung, Sensibilisierung und Vernetzung der Akteure.
Mit ihre Projektförderung unterstützt die FRB Projekte gegen Antisemitismus, insbesondere auch in den Schulen.